ansteht der 60. jahrestag der volksrepublik (morgen) sowie der beginn der golden week. eine woche ferien für das ganze land mit den entsprechenden reisekonfusionen. millionen verlassen die stadt, millionen kommen rein. feuerwerke, straßenumzüge, revuen. lampions in den bäumen, inflationär die rote fahne mit den vier sternen, die aber nicht im wind flattert, sondern, durchnäßt vom dauerregen, schlaff herunterhängt.
der fernseher, wie überall, hat 60 kanäle zuviel. historische revolutionsepen, patriotische revuen, debile flirtshows, handyreklame. die schnitte gern da, wo sie nicht sein sollten. besonders in den nachrichtensendungen ist das bild der teppich, dessen muster keine rolle spielt. ein chinesischer sender überträgt sogar bundesligaspiele in voller länge, anders als die deutsche welle asien, die nur ergebnisse mit standfoto bringt und ansonsten beachtlich öde endlosschleifen dreht.
das plakat zum großjubiläum zeigt jung und alt (vater und sohn? die familiäre
brillentypologie scheint’s anzudeuten). während der sohn im businessanzug
auftritt, kommt es beim vater nicht mehr so darauf an: seit seiner
hüft-op trägt er leichte freizeitkleidung. beide haben den blick
gerichtet nach vorn, nicht weit nach vorn, nicht visionär nach vorn, sondern nach
vorn im nahbereich. freude steht in ihren gesichtern, leichte perplexität und fassungslosigkeit
auch. schwer zu sagen, was sie fesselt: vielleicht wie groß die zahl 60 neben
ihnen, umspielt von geburtstagsschleiflein und -zweiglein, noch werden wird? etwas
überraschendes ist jedenfalls da, etwas, mit dem keiner gerechnet hat,
oder doch? ein geburtstagsgeschenk vielleicht? der neue atomkraftgetriebene kugelschreiber?
oder bekommt man hier tatsächlich den bigmac für einen sagenhaften aktionspreis
ab 1,99?
bemerkenswert, daß erstens das licht weit von hinten kommt, aus der geschichte also, den eher dunklen bereichen der revolution. der große sprung nach vorn und die kulturrevolution strahlen, als wären sie verglüht. zweitens ist es der jüngere, der hier den älteren, schon deutlich tatterig und jenseitig wirkenden veteran am ärmel fassend in position dirigiert, an die hand nimmt, ja stützt. die revolutionäre von einst sind der pflegefall von heute. die zukunft verspricht endlich einmal, was sie auch halten kann: glück und frieden, wenn auch nur in form von regression und senilität.
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