es gibt sie noch, wenn sie das stadtbild auch nicht mehr prägen: die pyjama-chinesen. leute, die am hellichten tag im schlabberigen nachtgewand über die straßen shanghais schlendern, ohne daß ein rollkommando naht, um die ärmel hinten zu vernähen und diese irrläufer zu verklappen. zu zeiten der kulturrevolution, ist z.b. hier oder auch da zu lesen, als jede mode als bürgerlich-dekadente demonstration geächtet und verfolgt wurde und individualität als abstrafenswerter auserwähltheitsdünkel galt, war der pyjama, heißt es, gängige praxis und zugleich sicherste wie unaufwendigste methode, einigermaßen souverän durch die gegend zu tappen.
im pyjama! und das nicht, weil die dunkle nachtseite der kommunistischen diktatur sich in dieser maskerade zu manifestieren gelüstete, sondern weil hier das privateste wirklich politisch wurde. die aufhebung von innen und außen ist ja das eigentliche ziel der kommunistischen revolution. keine fassaden mehr, keine maskeraden, keine geheimdiplomatie, keine ornamente, keine privilegien. jeder mensch ist gleich, wobei in dem moment, in dem alle im pyjama herumlaufen, die unterschiede, auf die es ankommt, besonders auffallen und überhaupt erst wichtig werden.
zeige mir deinen pyjama, und ich sage dir, wer du bist.
die kulturrevolution war ja u.a. geprägt durch eine kultur des sich nicht-benehmens, des sich nicht-benehmen-müssens. rotzen, spucken, röcheln, rempeln, grölen galten als ausweis vorbildlicher proletarisch-bäurischer gesinnung. und der pyjama war womöglich nur die bequemste art, linksradikal zu sein.
alles kaum zwanzig, dreißig jahre her. die leute sind noch da, sie
erinnern sich noch und sie laufen noch herum: im schlafanzug. parteisekretäre a.d.?
ex-kommandeure der roten garden? gewaltbereite kämpfer i.r.?
warum eigentlich nicht ganz nackt? niemand will das wissen.
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