rehe im nebel, undeutlich zu erkennen hier, zwei schwarze
punkte, mehr nicht, aber immerhin noch am leben, als ich dieses foto schoß.
„schoß“ trifft vielleicht die sache nicht richtig, denn kurz danach nahmen die
beiden reißaus, ins vermeintlich sichere nebulöse, und da schoß es wirklich.
ein knall, so laut, dass ich unwillkürlich an mir herabblickte, suchte und
prüfte, ob ich getroffen worden sein könnte. war ich gemeint? es hätte mich
nicht gewundert. und während ich erwartete, irgendwo endlich blut austreten zu
sehen und langsam umzusinken, wurde mir klar, daß es eines der beiden rehe
erwischt haben musste, sozusagen an meiner stelle. nein, aber infolge meines
auftritts, infolge meines müßig-sinnlosen herbst-schlendrians, infolge dieses
fotos, des letzten fotos, geschossen von mir. dem jäger ist kein vorwurf zu
machen. er steht hinter seinem gewehr, er muß es bedienen, deshalb ist er da,
das ist sein job, sonst nichts. aber wäre ich weitergegangen, oder noch besser:
wäre ich gar nicht da gewesen, dann, ja, dann wäre das tier sicher erst fünf
minuten später abgeknallt worden wie ein tier.
fünf minuten.
ich weiß nicht
genau, was man als reh, im nebel stehend auf einem halb zugefrorenen, halb
vermatschten feld, im visier eines killers mit zielfernrohr, so alles anstellen
kann. nicht viel, denke ich. aber fünf minuten sind fünf minuten. ein letztes
blatt im stehen. ein paar schritte über die furchen. ein blick über die kahle,
abgestorbene landschaft mit ihren baumskeletten. dann auftritt als kurzeit-fotomodell
eines pseudobloggers. und schuß.
„seltsam im nebel zu wandern“, dichtete einst
mein nichtlieblings-dichter h. hesse, „einsam ist jeder busch und stein, / kein baum
sieht den andern, / jeder ist allein ...“ eben nicht. ungenau. ungenügend. das reh, gott seis geklagt, war nicht
allein. ich war da. ein jäger, leider, auch. die bäume? sahen zu. und der nebel erfüllte ebenfalls nicht die im gedicht vorgesehene funktion, alles schön unsichtbar im nebel verschwinden zu lassen. "seltsam", tja. das wort stimmt evtl., weil es evtl. nichts bedeutet.
beschlossen, das bild zum world-press-photo-award 2010 einzureichen.
Ich drücke dir die Daumen für den Fotowettbewerb.
Schade, dass es so kam wie es kam. Man kann es heut zu tage wohl schon fast als "natürlichen" Lauf des Lebens bezeichnen.
5 Minuten. Mach dir keine Vorwürfe. Es hätte auch ganz anders kommen können. Die Rehe hätten es auch schaffen können wegzulaufen... dann wärst du ein Retter. Aber das Schicksal meinte es wohl nicht gut mit ihnen an diesem Tag...
Kommentiert von: Billigflüge | 30. Dezember 09 um 17:11 Uhr