"die asche ist unter uns", meldete der pilot, während wir gerade island touchierten, im flugzeug, auf dem weg nach mexiko, und ich mir wünschte, sie wäre über mir. nichts passierte. eben noch in meinem kleinen dorf in mecklenburg, wehmütig die hölzerne gartenpforte hinter mir schließend, bin ich jetzt in mexiko-city, zusammen mit 25 millionen anderen, die offenbar vor mir angereist sind. kein krieg trieb mich her. ich bin nicht auf der flucht, nur auf einem europäischen literaturfestival. morgen geht's los. die die stadt, die in diesen tagen die größten europäischen autoren versammelt, hat auch die größte fahne der welt. sie steht auf dem zócalo, dem hauptplatz im historischen zentrum, und hat sich seit meiner ankunft, sehr sympathisch, kaum bewegt. der wind hier reicht ihr einfach nicht.
einer meiner ersten wege führte mich zu den großen wandbildern des diego riviera. immer mehr, merke ich, werde ich zu einem mann des wandbilds. die vorteile des genres liegen auf der hand. wandbilder haben keine werbeunterbrechungen. ihre figuren sitzen nicht in talkshows. und man kann sie nicht bei christies versteigern. im "lettre"-sonderheft 86 lese ich den sehr einleuchtenden aufsatz DIE ÄSTHETISCHE WENDE von harry lehmann. er beschreibt, woran die ddr wirklich zugrunde gegangen ist: nicht an ihrer ökonomischen impotenz, nicht an ihrem politisch-ideologischen dilletantismus, nicht an den reimen der liedermacher, sondern an ihrem design. ich füge hinzu: auch und gerade am design ihrer wandbilder, diesem schrecklichen, blassen, steifbeinigen, uninspirierten symbol-kauderwelsch, das da an den mauern von betrieben, krankenhäusern und kasernen prangte. ich denke, diego rivera hätte die ddr allein mit der kraft seiner wandbilder vorm kollaps bewahren können – vorausgesetzt, er hätte es gewollt.
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