am ende jodelte ich auch. ich saß hinten im jeep, eingekeilt zwischen einem kichernden schamanen und einer angeschickerten aissistentin, die mich am flughafen in chihuahua abholten, um mich nach cuauthémoc zu fahren, einer kleinen stadt im norden mexikos, unweit vom ende der welt. dort sollte die "lesung der essayisten" sein, zu der ich eingeladen war. sie sprachen kein englisch, ich zum ausgleich kein spanisch. die stimmung war gut, und die tatsache, daß ich ein deutscher war, ein echter deutscher, war anlaß für aufrichtiges erstaunen und bewunderung. mit großer euphorie wurden im wageninneren die namen "heidackel" und "nichtser" deklamiert, während wir durch die wüstenähnliche landschaft und einen parcous der trostlosigkeiten rollten, straßendörfer, die nur aus staub zu bestehen schienen.
es dauerte, bis ich begriff, daß heidegger und nietzsche gemeint waren, die im umkreis von chihuahua hoch im kurs zu stehen scheinen. dann wurde plötzlich gesungen, und dann wurde auch ich aufgefordert, zu singen. die letzten künstler aus deutschland, die in dieser gegend waren, eine deutsche volksmusikcombo, machten vor einigen jahren hier erheblichen eindruck. und so kams. ich jodelte. niemals zuvor hatte ich mit einem vortrag eine derartige ergriffenheit und begeisterung auslösen können. die leute waren fertig, sie schauten mich an, als wäre ich der "heidackel" persönlich. tja und ich, leider, mußte immer wieder von vorn losjodeln.
als wir nach dem schier endlosen wüstentrip in cuauthémoc eintrafen, lief die "lesung der essayisten" bereits auf hochtouren. möglicherweise schon seit hundert jahren. in einem riesigen theatersaal dämmerten 30 leute vor sich hin. von meinem übersetzer keine spur. dafür entdekte ich im foyer blonde kinder mit musikinstrumenten: mennoniten! es gab sie wirklich. und sie sprachen auch wirklich deutsch. jetzt begann ein von meiner seite leidenschaftlich geführter "hallo, wie gehts"- und "wie siehts sonst so aus?"-diskurs. sie antworteten brav, respektvoll und gar nicht überrascht, hier, hinterm mond, einen weiteren deutschen anzutreffen. ein lehrer fand sich ein, ihr lehrer, auch er mennonit, und er übersetzte. am anfang übersetzte er mich für mich ins deutsche und das, was die die mexikaner sagten, ins spanische. so war er es gewohnt. dann aber ging es richtig los und wurde wunderbar.
weiter weg läßt sich nicht lesen. das theater war eine umgebaute scheune. das publikum bestand fast ausschließlich aus essayisten, die aus kolumbien, texas, mexiko kamen, und aus mennoniten, die seit dreihundert jahren auf der flucht vor der moderne sind. draußen in den straßen standen indigenas an in langen schlangen, wofür auch immer, nicht nach einer karte für meine lesung. enorme sombreros thronten über pickups, die pflichtfahrzeug in cuauthémoc sein müssen. über die wüste vor der stadt zogen beachtliche staubgeschwader. die drogenbanden allerdings, von denen überall gesprochen wird, fehlten unentschuldigt. und ich kam mir vor wie in einem film, den ich zu gern sehen würde, wenn ich darin nicht die hauptrolle spielte.
jo-hol-di-o-u-ri-a!
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