Ich bin am ende. Am ende der welt. Am selbsternannten ende der welt. ushuaia nennt sich selbst fröhlich „fin del mundo“, und auf caps, t-shirts, tassen, pinguinen, baumscheiben und den unvermeidlichen dolchen in tausendfacher ausführung in den schaufenstern – überall steht „fin del mundo“ drauf. Mal abgesehen davon, daß auf einer kugel wie dem erdball das ende an jeder stelle und nirgendwo zugleich ist und daß ein bahnhofsklo in stuttgart mit gleichem recht beanspruchen kann, ein endpunkt zu sein (und auch sein dürfte): es spricht nicht gerade für die welt, wenn sie wie in ushuaia aufhört.
Die landschaft, wie an vielen orten hier, grandios, bombastisch, schockierend
schön. Doch ich bin überidyllisiert. Und durch mit Patagonien. Ich mag keine panoramen mehr, keine weiten, keine himmel. Eine gegend wie für
raumfahrzeuge. Ein areal der wolkenparaden. Jeder spaziergang ist 1000
kilometer lang. Und dann kommt die nächste biegung. Gut, daß dieses
Stopschild namens Ushuaia endlich da ist. Fin del mundo. Mir solls recht sein.
Die
Stadt, klar, ist voller touristen und dementsprechend laut und unerfreulich.
Leute mit besichtigungsreflexen und dem interesse für nichts. Leute, die ins
indianermuseum gehen und anschließend kühlschrankmagneten kaufen. Die etwas
erleben wollen und die hier garantiert nichts erleben werden. Außer einem
taschendiebstahl, adapterproblemen und zahnschmerzen. Die in restaurants sitzen
„mit ausblick“ und die verzückt aus fenstern schauen, in denen sie abends, wenn
es dunkel geworden ist, sich selber spiegeln. Ich weiß das, denn ich habe mich
gesehen.
Touristen, like me. Nachfolger, nein: wiedergänger jener
abenteurer, die aufgebrochen waren, die neue welt genauso zu demolieren, wies mit der alten bereits überzeugend gelungen war. Was ist die kraft, die es
schafft, uns hierher zu schicken? Warum machen wir keine rundfahrt mit dem
hometrainer? Woher kommt die neugier auf das, was man schon weiß?
Beim gang
durch den nationalpark tierra del fugo* finde ich eine meeresqualle, die am
ufer einer kleinen, sich weit verzweigenden bucht am fuß des cerro guanaco
sich etwas in die sonne gelegt hat. quallen in den bergen? Sehr mysteriös. Ich
bin etwas ratlos, ob ich sie beglückwünschen oder bedauern soll. Gibt es quallentrekking?
Beim studium der karte, später im hotel, sehe ich, daß ausläufer des beagle
canal bis weit in die anden hinein reichen. Ein mittlerer sturm dürfte genügt
haben, um die qualle in eine neue welt vordringen zu erlassen. Von erobern will
ich nicht reden. Aber vielleicht stranden demnächst seelöwen auf den gipfeln?
Der tourismus hat die artengrenze übersprungen.
* feuerland, wenn’s nach
magellan gegangen wäre, auf den der name angeblich zurückgeht, hieße
rauchland**. Magellan sah keine feuer der indianer, sondern überall nur
dünne rauchsäulen. Der spanische könig carl v. verfügte später, daß, wo rauch sei,
auch feuer sein müsse. Daher der name: feuerland.
** rauchen übrigens, wie überall in argentina, ist hier verboten. Die leute stehen in pulks vor den türen, so daß magellan, käme er wieder, erneut nur rauch sähe. Ich weiß nicht genau, wie es auf der antarktis geregelt ist. Cigarren hätte ich dabei. Aber ich zögere noch etwas, die 1000 kilometer mit dem schiff zu fahren, um eine durchzuziehen.
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